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Der Bund: Freitag, 5. April 2002, Ressort Kanton Bern
Kurze Freude über Finanzengpass in der KVA

THUN / Seit einem Jahr wird auf der Kleinen Allmend an der grossen Kehrichtverbrennungsanlage gebaut. Doch der Widerstand der Gegner ist nicht verstummt. Eine falsche Information aus dem Bundeshaus über einen mutmasslichen Liquiditätsengpass nährte in den letzten Tagen sogar die Hoffnung, der unerwünschte Ofen werde doch noch gebodigt.

2001 war das Jahr der Entscheidung: Im März wies das Bundesgericht die Beschwerde gegen den Bau der Thuner Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) ab, und im Juni bewilligte ein Bankenkonsortium einen 125-Millionen-Kredit. Mit dieser Finanzspritze war die letzte Hürde aus dem Weg geräumt, auf der Kleinen Allmend fuhren die Baumaschinen auf. Bereits zuvor hatten Bund und Kanton Subventionen von über 70 Millionen gesprochen. Die AG für Abfallverwertung (Avag) hatte ihrerseits rund 27 Millionen auf der hohen Kante, um sich am 200 Millionen Franken teuren Ofen zu beteiligen.

Doch ausgerechnet dieses Finanzierungsmodell sorgte in den letzten Tagen für nationale Unsicherheit. Margit Rauber, KVA-Gegnerin der ersten Stunde, gelangte auf ihrem Kreuzzug gegen die unerwünschte Verbrennungsanlage an die eidgenössischen Räte - genauer an das Sekretariat der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrates. Per E-Mail wollte die unermüdliche Kämpferin gegen die helvetischen Abfallberge wissen, ob die Finanzverwaltung ihren Entscheid - Bundesbeiträge in der Höhe von knapp 40 Millionen Franken an die KVA Thun auszurichten - auf viel zu optimistische Prognosen des Buwal abgestützt hatte. Im Gegensatz zum Buwal geht Rauber nämlich von erheblich höheren Kapazitätsreserven aus und stellt deshalb den Bau des Abfallofens in Frage.

Die Antwort des GPK-Sekretariats lässt aufhorchen: "Abfallanlagen werden - entgegen Ihrer Meinung - nicht vom Bund subventioniert. Der Bund kann allenfalls Bürgschaften für Abfallanlagen übernehmen, sofern die Finanzierung nicht anders sichergestellt werden kann", zitiert das Politbüro das 1997 revidierte Umweltschutzgesetz. Die Kommission rechtfertigt damit ihre Haltung, keine weiteren Abklärungen in dieser Angelegenheit zu unternehmen. Und der Appenzeller FDP-Ständerat Hans-Rudolf Merz, Präsident der ständerätlichen Finanzkommission, doppelt nach: "Die Bundessubvention besteht nicht aus A-fonds-perdu-Mitteln, sondern ist eine Bürgschaft."

Margit Rauber ist alarmiert: "Ist die Finanzierung der KVA Thun etwa noch gar nicht gesichert? Haben Kanton und Bundesgericht ihre Entscheide auf Fehlinformationen abgestützt? Müssen die Gemeinden nun doch Baubeiträge leisten?", fragt sie sich ob der überraschenden Antwort aus dem Bundeshaus. Zu Recht. Denn schliesslich sollte die Geschäftsprüfungskommission eigentlich auf dem Laufenden sein, obliegt ihr doch die Oberaufsicht über den Bundesrat und die Verwaltung. Fiko-Präsident Merz will eigenen Angaben gemäss vor dem Antwortschreiben an Rauber sogar "einige Gespräche" geführt haben, um seine Wissenslücken zu schliessen.

Und trotzdem scheint man im Parlament nicht ganz auf dem aktuellsten Wissensstand zu sein: Der Bund hat zwar tatsächlich die Subventionierung neuer Kehrichtverbrennungsanlagen im November 1997 gestoppt. Heute müssen die Kantone, Gemeinden oder Kehrichtverbände die Anlagen selber finanzieren. Im Fall von Thun hat der Bundesrat diese Frist allerdings um zwei Jahre, bis im November 1999, verlängert. Ausserdem erlaubte das bernische Verwaltungsgericht der Avag bereits im Juli 1997, erste Bauarbeiten an die Hand zu nehmen - damit eben keine Bundessubventionen verloren gehen.

2002 ist das Jahr der Aufklärung: Zuhanden der eidgenössischen Räte erklärt Avag-Direktor René Clausen dem "Bund" die Eckdaten des aktuellen Finanzierungsmodells:
  • Die Avag wird sich bis 2004 mit insgesamt 38 Millionen Franken an der Anlage beteiligen.
  • Bund und Kanton zahlen bis zur Inbetriebnahme zusammen 38 Millionen Franken, die restlichen rund 35 Millionen werden erst nach der Eröffnung des Ofens ab 2004 fliessen.
  • Der Bankkredit von maximal 125 Millionen Franken dient unter anderem zur Vorfinanzierung und zur Überbrückung erst später geleisteter Subventionsbeiträge. Aufgrund der aktuellen Zahlen wird der Kredit nicht voll ausgeschöpft. Trotz anders lautender Information aus dem Bundeshaus gerät die Finanzierung der KVA also nicht ins Wanken. Und der Inbetriebnahme der Anlage Mitte 2004 steht wohl auch nichts mehr im Wege.

ADRIAN KREBS


TALK TO US
08.04.2002