Der Bund, 21. August 2004
«Sie schteit und sie geit»
450 geladene Gäste aus Kanton und Gemeinden weihten
gestern die Thuner KVA ein
Eigentlich hätte er es kurz machen wollen. «Sie schteit und sie geit» –
mit diesem Satz, sagte Avag-Direktor René Clausen an der gestrigen
Einweihungsfeier der KVA Thun, könnte er sein Referat eigentlich
schon aufhören. Doch das hätte sich vor 450 Gästen nicht geziemt.
Gekommen waren sie alle, die in irgendeiner Form irgendwann einmal
in den vergangenen elf Jahren mit der geplanten KVA Thun zu tun
hatten: Kantons- und Gemeindepolitiker, Ingenieure, Architekten,
Stadt- und Kantonsbeamte.
Einstige KVA-Gegner wie SVP-National und Gemeinderätin Ursula Haller
und SVP-Gemeinderat Andreas Lüscher indes hatten klar kommuniziert,
dass sie an der KVA-Einweihung nicht teilnehmen würden.
Dass die KVA in der Region auf grosse Opposition gestossen war,
darauf gingen die Referenten nur am Rande ein oder blendeten den Widerstand
ganz aus ihren Reden aus.
Umso mehr wurden der neuen KVA Superlative zugeschrieben:
Von einer «architektonisch gut gelungenen Anlage» sprach Verwaltungsrats-
und SP-Stadtpräsident Hans-Ueli von Allmen. Die ersten
Leistungsdaten und Messresultate aus dem Betrieb der KVA seien
sehr erfreulich. Man werde diese Daten denn auch nächstens der
Öffentlichkeit kommunizieren.
Als «wichtigste Entsorgungsanlage im Kanton Bern» bezeichnete
Regierungspräsidentin Barbara Egger die 200 Millionen Franken teure
Anlage und schrieb den KVA-Abgasen gar eine «olympiaverdächtige
» Sonderstellung zu. «Es sind die saubersten KVA-Abgase in der
ganzen Schweiz.» Egger dankte in ihrer Rede auch ihrer Vorgängerin,
der ehemaligen SP-Regierungsrätin und Baudirektorin Dori
Schaer-Born, die in der ganzen Projektierungszeit «mehr gelitten
hat und schuld sein musste als ich beim Mitholz-Tunnel».
Für Avag-Direktor René Clausen war die gestrige Einweihung «der ganz
grosse Tag» in der Geschichte der Avag. Dass die Avag ihren brennbaren
Kehricht nun in einer eigenen Anlage thermisch behandeln könne,
sei stets die Absicht der leitenden Gremien gewesen. Den Abfall
in einer anderen KVA als der eigenen entsorgen zu müssen und damit
abhängig zu sein von einer anderen KVA, «konnte für unser Unternehmen
kein Ziel sein»
MIREILLE GUGGENBÜHLER
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