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BERNER ZEITUNG STADT&LAND (05.11.1999)
Abfall-Studie vergleicht Schweizer Städte: Nicht nur Sackgebühr ist schuld an Sauerei

Die Schuld am Abfall auf Strassen, Plätzen und in Parks liegt nicht nur bei der Sackgebühr. Dies zeigt eine Studie des Berner Ökozentrums, die am Beispiel der Stadt Biel nach Lösungen suchte.

*Otto Hostettler

Immer wieder das gleiche Bild: Die Abfallkübel sind übervoll und stehen selber im Abfallberg. Bei Sammelstellen von Glas türmen sich vor dem Container Porzellan, alte Pfannen, ab und zu ein Fernseher oder eine ausgediente Matratze. Quer durch das Land können Gemeindeangestellte ein Liedchen davon singen. Die Ursache, so wird vielmals gemutmasst, liege bei der Sackgebühr. Das Berner Ökozentrums führte eine Umfrage bei Städten in der ganzen Schweiz durch und erfasste detailliert die Situation in Biel. Die Studie kommt zu einem überraschenden Schluss.

Ein Fünftel ohne Probleme
Das wilde Deponieren von Abfall auf Plätzen, Strassen, Parks, bei Sammelstellen und im Wald (das so genannte Littering) lasse sich «nicht einfach auf die Sackgebühr als Ursache zurückführen», heisst es in der Studie. Denn: Über verunreinigte Strassen und Parks klagen auch Städte, die keine Sackgebühr kennen. Fazit der vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal) in Auftrag gegebenen Untersuchung: Das Littering tritt in verschiedensten Städten in ähnlichem Umfang auf. Die Auswertung der von 51 Mitgliedern des Städteverbands beantworteten Fragenkataloge sieht einzig bei einem Punkt die Ursache bei der Sackgebühr: beim Deponieren von Abfallsäcken ohne Gebührenmarke. «Allerdings», heisst es in der Umfrage-Auswertung, «haben hier zwei Drittel der Gemeinden bloss ein kleines bis gar kein Problem damit.» 60 Prozent der befragten Gemeinden gaben an, Littering als Problem wahrzunehmen, 22 Prozent haben kein Problem mit Abfall an öffentlichen Plätzen. Am häufigsten als Hauptproblem genannt wurde die «Verunreinigung/Unordnung bei Sammelplätzen».

Weitherum Achtlosigkeit
An zweiter Stelle der Probleme nannten die Städte in der Umfrage den Bereich «Liegenlassen von Abfall in Parks und auf Plätzen». Als Ursache in diesem Bereich sehen die Behör-den vor allem «Achtlosigkeit», «mangelnde Verantwortung», «Fastfood» und die «mangelnde Erziehung». Die Sackgebühr folgt erst an sechster Stelle.
Ein ähnliches Bild zeigt die Auswertung beim Problem- Bereich «Verunreinigung von Strassen». Bei der Verunreinigung von Abfall-Sammelstellen wird in der Wahrnehmung der städtischen Behörden wiederum «Achtlosigkeit» als wichtigste Ursache genannt. An zweiter Stelle steht hier allerdings die Sackgebühr.
Genannt werden aber auch organisatorische Mängel wie Platzprobleme und Öffnungszeiten. Die Schlussfolgerungen sind für René Spahr, Geschäftsführer des Berner Ökozentrums, klar: «Mit der Abschaffung der Sackgebühr wäre das Problem nicht gelöst.»

Auffallende Abfallkübel
Das Littering ist quer durch die Schweiz ein Problem. «Repression allein bringt uns aber nicht weiter», sagt Spahr: «Es geht um das Sozialverhalten.» Aufgrund einer Detailstudie in der Stadt Biel hat das Ökozentrum Massnahmenvorschläge ausgearbeitet, von denen sich Spahr Erfolg verspricht: «Nicht mit dem Drohfinger, sondern motivierend» sollten der Bevölkerung Informationen über Abfall vermittelt werden. Auf einer Liste mit weiteren Massnahmen schlägt das Ökozentrum vor, Abfall sichtbar zu machen. Ein mit Abfall gefülltes Plexiglasrohr solle zeigen, wie viel Abfall in einem Ort pro Tag anfällt. Damit könnten Verbesserungen und Verschlechterungen illustriert werden. Angeregt werden aber auch auffallende Abfallkübel, Projekte mit Schulklassen oder bauliche Projekte. Erfahrungen in anderen Gemeinden hätten gezeigt, dass gegen illegales Deponieren von Kehricht in öffentlichen Kübeln ein simples Rezept Erfolg verspreche: Die Einwurflöcher sollen einfach verkleinert werden.

Mehrjährige Kampagne
Doch auch die ganze Infrastruktur für Abfälle könne zur Lösung der Probleme beitragen, meint Spahr. Konkret müsse sich eine Gemeinde fragen, ob es genügend Abfalleimer gibt, ob sie am richtigen Ort stehen und ob sie durch ihr Aussehen auch beachtet würden. Während unabhängig von der neuesten Untersuchung in Bern bereits eine Abfall-Kampagne angelaufen ist, fehlt in Biel für ein ähnliches Vorhaben noch der entsprechende Beschluss. Das Ökozentrum sieht für die Seelandmetropole eine mehrjährige Kampagne vor.*


TALK TO US
15.11.1999