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Berner Zeitung OBERLAND (25.01.2000)
Der Kehricht-Export führt über Engpässee

Trotz dem neuen Deponieverbot wird in der Kehrichtdeponie in Jaberg weiter Müll gelagert. Der Grund: Die Verbrennungsanlagen in den Kantonen Aargau und Solothurn stossen an Kapazitätsgrenzen.

90000 Tonnen Müll landen jährlich vor den Wohnungstüren im Gebiet der Berner AG für Abfallverwertung (Avag). Ein Drittel stammt aus der Region Thun. Bisher wurde der ganze Kehricht in der Deponie Türliacher in Jaberg "entsorgt". Aber damit ist es seit Anfang Jahr vorbei. Per 1. Januar ist das Deponieverbot für brennbare Abfälle in Kraft getreten. Seither müssen alle brennbaren Abfälle in Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) verbrannt werden. 600000 Tonnen Kehricht pro Jahr müssen nun die Verbrennungsanlagen zusätzlich schlucken. Das entspricht einer Steigerung von rund 25 Prozent. Weil die Region Thun bisher über keine Kehrichtverbrennungs-Anlage (KVA) verfügt, um den Ghüder in Rauch aufzulösen, musste die Avag neue Wege für das Abfallproblem finden.

Der Müll wird teurer
Die neuen Wege sind lang, "zwanzig Mal länger als bisher", wie Avag-Direktor René Clausen erklärt: "Unser Ghüder wird nun nämlich in die KVAs Emmenspitz im Kanton Solothurn und in die drei Aargauer Anlagen Oftringen, Buchs und Turgi geliefert." Neun Millionen Lastwagen-Kilometer zusätzlich im Jahr, das macht die Entsorgung des Kehrichts massiv teurer. Der Preis für eine Tonne Hauskehricht ist von 200 auf 265 Franken gestiegen. Und so erklärt sich auch die neue Gebühr auf den Abfallsäcken. Umgerechnet auf einen 35-Liter-Sack ergibt das einen Preisaufschlag um 25 Prozent, von Fr. 1.50 auf Fr. 1.90.

Deponieren trotz Verbot
Bis vor einer Woche sah es aus, als hätte die Avag das Kehrichtproblem im Griff. Zwar lieferte sie von Anfang an mehr Abfall, als ursprünglich geplant, an die auswärtigen Verbrennungsanlagen, aber Direkor René Clausen liess sich dadurch nicht beunruhigen. "Wir sind bisher zufrieden", sagte er. "Im Sommer, wenn die Abfallberge wachsen, werden wir dann sehen, ob das System wirklich funktioniert." Das es nicht funktioniert, zeichnet sich indes schon heute ab: Der Ghüder-Export stösst an seine Grenzen, und die Avag muss bereits wieder in Jaberg Müll lagern. Trotz dem Verbot bleiben pro Woche 100 bis 400 Tonnen Kehricht in der Türliachergrube liegen. Zähneknirschend hat der Kanton dafür einer befristeten Deponiebewilligung für den Januar zugestimmt. Die Avag möchte zwar die Bewilligung als "absoluten Notnagel" verstanden wissen, aber schon laufen die Gespräche für die Erstreckung der Bewilligung. Denn wie bereits erwähnt wachsen die Abfallberge im Frühling und erreichen im Sommer ihren Zenit. Bis dahin sollte dann jedenfalls die Ballenpresse verfügbar sein, mit der der überschüssige Kehricht gepresst und anschliessend legal gelagert werden kann.

Der vierte Partner
Wegen der Kapazitätsgrenzen der vier KVAs in Solothurn und Aargau hat sich die Avag nach weiteren Partnern umgesehen und hat Verhandlungen mit der Verbrennungsanlage in Weinfelden aufgenommen. 300 Tonnen wöchentlich werden jetzt versuchsweise per Bahn in die Ostschweiz exportiert, was die Entsorgung zusätzlich verteuert. René Clausen: "Transport und Verbrennung dahin müssen um 40 bis 50 Franken pro Tonne günstiger werden, sonst müssen wir andere Partner suchen." Denn eine weitere Gebührenerhöhung ist für ihn kein Thema. Clausen sieht sich durch die anstehenden Probleme in seiner Position bestätigt. "Dieses unmögliche Karussell zwischen einem halben Dutzend KVAs muss gestoppt werden. Das ist ein ökologischer und ökonomischer Unsinn. Eine KVA unverzichtbar", ganz nach dem Motto: Ein jeder kehr vor seiner Tür.

*Pascal Schwendener


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31.01.2000