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Berner Zeitung KANTON (30.03.1999)
Eine Pikante HauRuck-Änderung des bernischen Abfallgesetzes

Im Schnellverfahren ändert der Kanton die Abfall-Gesetze, um die Beiträge an Abfall- und Abwasseranlagen neu zu regeln. Vernehmlassung ist keine vorgesehen, obwohl die Änderungen brisant sind.

*Otto Hostettler
Das Verfahren geht so schnell, dass es selbst Martin K. Meyer, Chef des Amts für Gewässerschutz und Abfallwirtschaft, fast verpasst hätte: Um das kantonale Gewässerschutzgesetz und das Gesetz über die Abfälle im Schnellverfahren zu ändern, wird auf eine breite Mitwirkung der betroffenen Kreise verzichtet. Angeschrieben wurden vor 14 Tagen einzig drei Verbände, der Verband Bernischer Gemeinden, der Verband der Gemeindeschreiber sowie der Verband der Finanzverwalter. Dies obschon es um die grundsätzlich neue gesetzliche Organisation der Kantonsbeiträge aus dem Abfall- und Abwasserfonds geht. Ende dieser Woche dürfte die Sache bereits gelaufen sein. Denn wer von den angeschriebenen Verbänden bis am kommenden Donnerstag nicht reagiert, ist stillschweigend mit den neuen Regelungen einverstanden, schreibt Ulrich Kunz, Vorsteher im Rechtsamt der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion, im Begleitbrief zum zehnseitigen Entwurf.

Finanzkompetenzen
Pikant an den Änderungen ist insbesondere die Regelung, über wie hohe Beiträge der Regierungsrat künftig entscheiden darf. Im Entwurf der Gesetzesänderungen, welcher der BZ vorliegt, sieht eine Variante vor, dem Regierungsrat praktisch uneingeschränkte Finanzkompetenz einzuräumen: «Über die Gewährung von Fondsbeiträgen von mehr als 200 000 Franken entscheidet der Regierungsrat abschliessend», heisst es. In einer zweiten Variante ist immerhin noch vorgesehen, Beiträge ab 200 000 Franken dem Grossen Rat vorzulegen. Für Beiträge ab fünf Millionen Franken wäre es auch möglich, eine Volksabstimmung durchzuführen (fakultatives Referendum). Welche dieser beiden Varianten künftig gilt, wird der Grosse Rat entscheiden müssen. Der Regierungsrat erachtet beide Varianten als «gleichwertig», heisst es im Begleittext. Nicht mehr relevant wäre, ob Beiträge aus dem Abfall- oder Abwasserfonds sogenannt gebundene (zwingende) oder neue Ausgaben sind. Bisher musste der Regierungsrat neue Ausgaben über 200 000 Franken dem Parlament vorlegen, und Beiträge über zwei Millionen Franken unterstanden bereits dem fakultativen Referendum.

Der Auslöser
Ausgerechnet bei der brisanten Frage, wer über welchen Beitrag entscheiden kann, liegt der Ursprung der nun eingeleiteten Gesetzesänderung. Denn immer wieder gab es in den letzten Jahren unterschiedliche Ansichten, ob ein Kredit nun dem Grossen Rat vorgelegt werden muss oder nicht. Jüngstes Beispiel - und im Begleittext der Gesetzesänderung explizit als Auslöser bezeichnet - ist der Fall der einst geplanten Schwelbrennanlage Thun. Der damals vom Regierungsrat genehmigte Kantonsbeitrag von 73,4 Millionen Franken enthielt nicht nur sogenannt gebundene, sondern auch neue Ausgaben. Damit hätte zumindest ein Teil des Kantonskredits an die Thuner Anlage vom Kantonsparlament abgesegnet werden müssen und wäre sogar dem fakultativen Referendum unterstanden. Eine Volksabstimmung zur heiss umstrittenen Kehrichtverbrennungsanlage wäre so gut wie sicher gewesen. Nicht nur die Problematik der neuen und gebundenen Ausgaben haben zur Gesetzesänderung geführt. Laut Ueli Stückelberger vom Rechtsamt der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion hat auch der neue Finanzausgleich Auswirkungen auf die Spezialfinanzierungen für Abfall- und Abwasseranlagen. Wurden Kehrichtanlagen bisher nach der Finanzkraft der Gemeinden finanziell unterstützt, soll neu für den ganzen Kanton Bern ein einheitlicher Beitragsatz gelten. Für Beiträge aus dem Abfallfonds sind es neu 20 Prozent (plus ein allfälliger Zusatz von 15 Prozent). Beim Abwasserfonds sind es 23 Prozent (Zusatz: 15 Prozent). Martin K. Meyer sagt auf Anfrage der BZ, dass die neuen Einheitsansätze dem heutigen Durchschnitt der Ausschüttungen entsprechen. Zudem betont sowohl Meyer als auch Stückelberger, dass mit den vorgesehenen Anpassungen «materiell nichts ändert.» Deshalb, so Ueli Stückelberger, könne auch auf eine Vernehmlassung ver- zichtet werden. So wurden etwa verschiedene bisher in einem Dekret festgehaltene Regelungen ins entsprechende Gesetz übertragen.

Rechtsamt-Mitarbeiter
Stückelberger betont: «Wir wollen nichts durchmogeln.» In der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion habe man die vorgesehenen Anpassungen als «unproblematisch» eingestuft. Obschon vor Monaten angekündigt, wissen zurzeit wohl weder die Gemeinden, die Abfallregionen, noch die Zweckverbände der Abwasserreinigungsanlagen oder die Betreiber von Kehrichtanlagen über die bevorstehende Gesetzesänderung Bescheid, wie Martin K. Meyer bestätigt. Er selbst habe nicht informiert, weil er selbst den aktuellen Stand der Arbeiten nicht gekannt habe. Das zügige Tempo angeschlagen hat allem Anschein nach die Finanzkommission des Grossen Rates. Im Begleittext zu den Gesetzesänderungen heisst es, die Finanzkommission «wünsche eine rasche Ausarbeitung einer Vorlage.» Nach der Kurz-Vernehmlassung sollen die angepassten Gesetze bereits im September dem Grossen Rat vorgelegt werden. Wegen der darauf nötigen Referendumsfrist könnten die revidierten Gesetze laut Stückelberger möglicherweise Mitte 2000 oder Anfang 2001 in Kraft gesetzt werden.


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30.03.1999