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Neue Zürcher Zeitung INLAND Dienstag, 14.04.1998 Nr. 85 15
Abfalltrennung stark ausgebaut

Zuger Konzept will herkömmliche Verbrennung minimieren

Von Hans Ulrich Schwarzenbach*

Angesichts der angespannten Finanzlage in den meisten Gemeinden und Kantonen sind im Bereich der Abfallentsorgung neue Konzepte gefragt. Der Kanton Zug setzt seit einigen Jahren auf eine konsequente Trennung und weitgehende Wiederverwertung der Abfälle. Sein Konzept geht dabei über den in den meisten andern Regionen der Schweiz üblichen Rahmen der Abfalltrennung hinaus. Dieses Zuger Modell hat sich bisher bewährt.

Grundpfeiler der Zuger Abfallbewirtschaftung sind die betreuten Hauptsammelstellen in den elf Zuger Gemeinden. Sie funktionieren wie Rücknahmehöfe und nehmen über 20 Abfallgüter gratis oder gegen einen kostendeckenden Entsorgungspreis entgegen. Die Sammelstellenmitarbeiter beraten die Leute und kontrollieren, dass die Abfälle richtig entsorgt werden. Bei der Bevölkerung sind die Sammelstellen beliebt. Im Ökihof, der zentralen Entsorgungsstelle in der Stadt Zug, entsorgen täglich etwa 800 Leute ihre sortierten Abfälle. An Spitzentagen wie vor und nach Weihnachten sind es bis zu 2000 Leute. In der Gemeinde Baar bringen gegen 50 000 Personen jährlich ihre Abfälle in die örtliche Sammelstelle.

KVA-Nein war richtig
Dass der Kanton Zug heute auf Abfalltrennung und Abfallbewirtschaftung setzt, hat einen handfesten Grund. Der Kanton hat keine eigene Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) und muss seinen Kehricht in der KVA Winterthur verbrennen. Zwar plante die Kantonsregierung eine eigene Verbrennungsanlage, das Projekt erlitt aber 1993 in einer Volksabstimmung Schiffbruch, nachdem sich bei den bestehenden KVA -Überkapazitäten abzuzeichnen begannen. «Über den Entscheid von 1993 ist man heute froh», sagt Othmar Romer, Stadtpräsident von Zug und Verwaltungsratspräsident des Zweckverbands der Zuger Einwohnergemeinden für die Bewirtschaftung von Abfällen (Zeba). Damals musste man sich aber sogar im reichen Kanton Zug Gedanken machen, wie die Kehrichtberge abgebaut werden könnten.

Abfälle trennen und wiederverwerten
Die Zuger Gemeinden entschieden sich für eine aktive, überregionale und kostengünstige Abfallbewirtschaftung mit einer breiten Trennung und weitreichenden Wiederverwertung der Abfälle. Sie gründeten deshalb im August 1995 den Zeba. Seit der Zeba seine Arbeit aufgenommen hat, ist das Abfallwesen kontinuierlich weiterentwickelt und professionalisiert worden. Eine enge Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden, effiziente Verträge mit Entsorgerfirmen und die offene Rechnungslegung für alle Abfälle sorgen für eine transparente Abfallbewirtschaftung. Und durch ihren gemeinsamen Auftritt erhalten die Gemeinden bessere Konditionen für ihre Abfallwertstoffe.

Ökomobil statt Quartiersammelstellen
Für die Bevölkerung ist der Wandel spürbar. Am deutlichsten beim Abfuhrwesen, das sich stark gewandelt hat und sich heute fast ausschliesslich auf Hauskehricht- und Grünguttouren beschränkt. Dafür nehmen die Hauptsammelstellen immer mehr sortierte Abfälle entgegen: Papier und Karton, Sperrgut, Bauschutt, Metalle, Ein-, Mehrweg- und PET-Flaschen, Aluminium, Stahlblechdosen, Kunststoffe und Getränkekartons, Batterien, Computerteile und Unterhaltungselektronik sind die wichtigsten der fast 30 Abfallfraktionen.
Neben den Hauptsammelstellen bieten die Gemeinden Zug, Baar, Cham und ab Mai auch Steinhausen mobile Sammelstellen an - teilweise im Rahmen von Beschäftigungsprogrammen für Ausgesteuerte. Das Ökomobil und das Rösslitram fahren verschiedene Routen ab und ermöglichen den Quartierbewohnern, ihre Abfälle quasi vor der Haustüre zu entsorgen. Die mobilen Sammelstellen ersetzen zum Teil unbewachte Quartiersammelstellen, wo mangelnde Ordnung und falsch entsorgte Abfälle Probleme bereiten.

Weniger Sammeltouren
Die Sammelstellen ersetzen viele teure Sammeltouren und haben diesen gegenüber wichtige Vorteile:
Die Bevölkerung muss sich nicht nach Routenplänen richten und kann ihre Abfälle an einem zentralen Ort entsorgen - je nach Sammelstelle täglich oder mehrmals pro Woche. Die Abfälle werden dank der Aufsicht und der Unterstützung der Angestellten sauber getrennt, was die stoffliche Wiederverwertung erleichtert und dem Zeba ermöglicht, bessere Konditionen für die Abfallwertstoffe auszuhandeln: Für das Altpapier etwa erzielte er 1997 einen höheren Preis als Gemeinden aus anderen Kantonen, und bei der Unterhaltungselektronik musste er für die Entsorgung weniger bezahlen. Computerteile nehmen die Sammelstellen gratis entgegen, weil der Branchenverband Swico, der auf neuen Geräten eine vorgezogene Entsorgungsgebühr erhebt, dem Zeba die Entsorgungskosten rückerstattet.

Einen Schwachpunkt haben aber auch die Sammelstellen: Sie generieren Mehrverkehr. Umfragen haben ergeben, dass rund 80 Prozent der Benutzer mit dem Auto zur Sammelstelle fahren. Allerdings steigen nur 10 Prozent ausschliesslich wegen der Abfallentsorgung ins Auto. 50 Prozent verbinden den Gang in die Sammelstelle mit Einkäufen, 20 Prozent mit der Arbeit und weitere 20 Prozent mit einem Freizeitvergnügen.

50 Prozent weniger Kehricht
Für Stadtpräsident Othmar Romer überwiegen jedoch eindeutig die Vorteile. Die Einführung der Kehrichtsackgebühr im Jahr 1990, die Gründung des Zeba und der Ausbau der Sammelstellen sind für ihn drei Meilensteine in der Abfallbewirtschaftung des Kantons. «Seit 1989 konnten wir die Kehrichtmenge, die wir in der KVA teuer verbrennen müssen, um gut die Hälfte reduzieren.»

«Diese Erfolge», so Romer, «sind weitgehend ein Verdienst des Zeba. Mit seinen öffentlichen Auftritten hat er die Bevölkerung stark für die ökologischen und ökonomischen Aspekte der Abfallentsorgung sensibilisiert.» Bereits trennen 75 Prozent der Bevölkerung mindestens fünf verschiedene Abfallsorten. Auch Hans-Peter Fahrni, Chef der Abteilung Abfall im Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, stellt den Zugern ein gutes Zeugnis aus: «Der Kanton Zug ist gut organisiert und betreibt eine durchdachte Abfallbewirtschaftung.» Nicht nur Fachleute in der Schweiz interessieren sich für das Zuger Modell. Aus ganz Europa kamen schon Delegationen angereist, um diese Form der Abfallentsorgung zu studieren. Und wenn demnächst eine Gruppe aus Japan in den Sammelstellen gesichtet wird, handelt es sich nicht um Ferientouristen, sondern um Abfallexperten.

* Der Autor ist Geschäftsführer des Zweckverbandes der Zuger Einwohnergemeinden für die Bewirtschaftung von Abfällen (Zeba).


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27.04.1998