SBA-THUN
HOME WHAT'S NEW ARCHIVES GUESTBOOK

Thuner Tagblatt, 4. Dezember 2001
KVA THUN: Betreiber warnen, doch AVAG baut

Nach einem vorübergehenden Engpass drohen wieder Überkapazitäten: Diesmal stammt die Warnung von den KVA-Betreibern selbst. Für die AVAG kein Grund zur Sorge. Morgen wird der Grundstein gelegt.

Es war bloss eine kurze und unscheinbare Agenturmeldung, die kürzlich im Inlandteil einzelner Tageszeitungen stand. Doch der Inhalt ist brisant und gab bereits letzte Woche im Grossen Rat zu reden (Ausgabe vom 28. November). Grund: Der Verband der Betriebsleiter und Betreiber der Abfallbehandlungsanlagen (VBSA) warnt vor Überkapazitäten in den Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA). Die Abfallmenge ging entgegen den Prognosen des Buwal gegenüber dem Vorjahr um 1,5 Prozent auf 1,566 Millionen Tonnen zurück. Das Buwal hatte mit einer Zunahme von bis zu 1 Prozent gerechnet. Als Gründe werden die abgeflachte Konjunkturlage und eine Verbesserung der Separatsammlungen angeführt.

Weniger Abfall
Zur Erinnerung: Nach Inkrafttreten des Deponieverbots für brennbare Abfälle Anfang 2000 stieg die Auslastung der zuvor mit Überkapazitäten kämpfenden KVAs sprunghaft an. Es mussten gar weiterhin Abfälle abgelagert werden, in der AVAG-Deponie Türliacher in Jaberg waren es 12 000 Tonnen. Im ersten Halbjahr 2001 mussten landesweit jedoch nur noch 130000 Tonnen (8,3 Prozent der Gesamtmenge) deponiert werden, was einem Rückgang von 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Gegenläufig war die Entwicklung im Türliacher, wo bis Ende Oktober 25 000 Tonnen deponiert werden mussten. Gemäss AVAG-Direktor René Clausen lag der Grund in technischen Problemen der Verbrennungsanlage Kebag in Zuchwil, wo ein Grossteil des AVAG-"Ghüders" von jährlich 90 000 Tonnen verbrannt wird. Für den Rest des Jahres sollte die ordentliche Entsorgung laut René Clausen allerdings kein Problem mehr bieten.

Drei bis fünf KVAs zu viel?

Peter Steiner, Sekretär des VBSA mit Sitz in Münsingen, befürchtet, dass es spätestens in vier Jahren wieder Überkapazitäten geben wird. Er hat sämtliche Projekte, die in der Schweiz geprüft oder schon realisiert werden, aufgelistet: Bis 2006 würden die Kapazitäten von heute 2,94 Millionen Tonnen pro Jahr um 0,725 Millionen Tonnen erhöht (vgl. Tabelle). Selbst beim vom Buwal angenommenen Abfallwachstum um 1 Prozent pro Jahr würde 2006 eine Überkapazität von 350 000 Tonnen entstehen. Bei einem Nullwachstum wären es gar 500 000 Tonnen, was fünf KVAs in der Grösse der in Thun geplanten Anlage entspricht.

Gemäss Steiner müssen jedoch auch Reserven einkalkuliert werden: für Revisionen und vor allem auch für saisonale Schwankungen. So sind die Anlagen im Sommer jeweils wesentlich stärker ausgelastet als im Winter. Deshalb müsse die Kapazität auf die Sommermonate ausgelegt werden, womit eine nötige Reserve von 6 Prozent gewährleistet werden könne. Damit reduziert sich die Menge der zu erwartenden Überkapazitäten auf 130 000 bis 270 000 Tonnen pro Jahr.

Zu viele Reserven kosten
"Sicher muss man nun vor allem die erst projektierten Anlagen überdenken", fordert Steiner. Denn zu viele Reserven machen keinen Sinn, sondern kosten nur Geld. Berücksichtigt werden müsse auch die regionale Verteilung der Anlagen. Während im Osten der Schweiz zu viele Anlagen stehen, besteht im westlichen Teil des Landes ein Mangel. Mit der definitiven Inbetriebnahme der neuen KVA von Freiburg (88 000 Tonnen) in den nächsten Monaten und den Ausbauprojekten in Genf-Cheneviers (50 000 Tonnen) und Monthey (45 000 Tonnen) stehen bis 2003 weitere Verbrennungskapazitäten zur Verfügung. Damit dürfte es vor allem für die erst in Planung befindliche KVA Lausanne eng werden.

AVAG: "Keine Folgen"
Und für Thun? "Wenn man davon ausgeht, dass der Kehricht dort entsorgt wird, wo er entsteht, gibt es keinen Grund, den Bau in Thun zu stoppen", folgert Steiner. Die heutige Exportlösung, bei der vor allem Lastwagen den Kehricht in die Kantone Aargau und Solothurn karren, könne kein Dauerzustand sein.

Diese Ansicht vertritt auch AVAG-Direktor René Clausen. Zudem sei die Kapazität der KVA Thun mit 100 000 Tonnen auf die AVAG-Region ausgelegt. "Wir können die Anlage selbst auslasten", so Clausen. In den 150 AVAG-Gemeinden fallen pro Jahr rund 90 000 Tonnen Kehricht an, zusätzlich sollen in Thun künftig 10 000 Tonnen Klärschlamm pro Jahr verbrannt werden. Deshalb sieht er auch keinen Grund, den Bau der KVA Thun neu zu hinterfragen. Am 5. Dezember wird wie geplant der Grundstein gelegt, Mitte 2004 soll die Eröffnung gefeiert werden. Nachdem letzten Sommer die Banken unter der Führung der UBS Kredite von 120 Millionen Franken zugesichert haben, ist auch die Finanzierung kein Hindernis mehr. Von Bund und Kanton kommen Subventionen von 73 Mio. hinzu, die AVAG selbst steuert insgesamt 25 Mio. Franken bei.

Roland Drenkelforth


TALK TO US
04.12.2001