SBA-THUN
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Thuner Tagblatt, 27.03.2001
Der frühe Entscheid hat überrascht

Der Bundesgerichtsentscheid zur KVA Thun kam selbst für AVAG und Pro Regio überraschend. Die Gegner müssen nun 30 000 Franken berappen. Offen ist, ob es noch eine Demo gibt.

Früher als allgemein erwartet fällte das Bundesgericht letzte Woche seinen Entscheid zur KVA Thun (vgl. Ausgabe vom Samstag). "Ich hatte nicht damit gerechnet, dass der Entscheid schon jetzt kommt", meinte AVAG-Direktor René Clausen gestern. Er sei zwar immer zuversichtlich gewesen, jeder Gerichtsentscheid berge jedoch gewisse Ungewissheiten. Damit steht nun fest, dass die AVAG mit dem Bau beginnen kann. Den genauen Zeitpunkt konnte Clausen noch nicht nennen. "Frühestens im Mai, spätestens im Juni", so Clausen. Zuerst werden die Aushubarbeiten vollendet, denn die 1997 für die SBA ausgehobene Baugrube muss dem neuen KVA-Projekt angepasst werden. Zudem wird der neue Kreisel auf der Allmendstrasse erstellt, damit eine direkte Zufahrt zum KVA-Gelände auf der Kleinen Allmend besteht.

Auch bei der KVA-Gegnerschaft kam der Bundesgerichtsentscheid überraschend früh. "Wir hofften, dass das Bundesgericht wenigstens noch die aktuelle Abfallstatistik des letzten Jahres abwartet", meinte Fredi Flügel, Vorstandsmitglied von Pro Regio Thun. Bisher würden zumindest offiziell keine offiziellen Zahlen vorliegen, wie sich die Abfallmengen im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Deponieverbots entwickelt haben. Da die schriftliche Urteilsbegründung noch nicht vorliegt, ist auch noch nicht bekannt, wie das Bundesgericht seinen Entscheid begründet.

Klar ist hingegen, welche finanziellen Auswirkungen das Urteil hat. Pro Regio muss die Verfahrenskosten von 10 000 Franken sowie eine Parteientschädigung an die AVAG von 6000 Franken bezahlen. Fällig werden auch die Kosten von der Niederlage vor dem Verwaltungsgericht und die eigenen Anwaltskosten. "Etwa 30 000 Franken müssen wir jetzt noch abdecken", meinte Flügel. Verteilt auf die 300 Beschwerdeführer macht das rund 100 Franken pro Partei. Flügel erwartet jedoch noch weitere Eingänge aus der erst kürzlich lancierten Spendenaktion. "Die Unterstützung aus der Bevölkerung ist weiterhin gross", meinte Flügel. Es sei zwar eine gewisse Resignation feststellbar. Er glaubt aber, dass das KVA-Projekt bei einer Abstimmung auch heute noch vom Volk abgelehnt würde.

Die Gegner haben damit alle legalen Mittel ausgeschöpft. Ein Gang vor den europäischen Menschengerichtshof in Strassburg hält selbst Pro-Regio-Anwalt Marcus Sartorius für aussichtslos. "Wir müssen jetzt darauf schauen, dass die abgegebenen Versprechungen eingehalten werden und die Auswirkungen der KVA auf die Umgebung gering bleiben", so Sartorius. So setze sich der Bernstrassen-Leist dafür ein, dass der Autobahnanschluss Thun-Nord über das AMP-Gelände realisiert wird.

Ob alle KVA-Gegner nun kampflos die Waffen strecken, ist offen. Flügel liess verlauten, dass man über Aktionen und Demonstrationen reden werde. Der SBA-Baubeginn mobilisierte im Herbst 1997 rund 600 Demonstranten.

Stand Punkt Keine Überraschung
Dass das Bundesgericht die Beschwerden gegen die KVA Thun abgelehnt hat, überraschte kaum jemanden. Das vorliegende Projekt ist nicht mehr vergleichbar mit dem zurückgezogenen SBA-Projekt. Die AVAG setzte nach dem Schwelbrenn-Debakel auf eine erprobte Technik, verringerte die Kapazität von 150 000 auf 100 000 Jahrestonnen und nahm auch andere Anliegen der Gegnerschaft auf. Mit dem Inkrafttreten des Deponieverbots hat sich letztes Jahr auch die Auslastung der KVAs in der Schweiz verbessert. Da hatten die KVA-Gegner deutlich weniger Argumente.

Nach dem Bundesgerichtsentscheid ist es müssig, noch über Alternativen zu diskutieren. Für die zuständigen Behörden gab es sowieso von Anfang an keine Alternative zur KVA Thun. Und diese wurde mit aller Vehemenz durchgeboxt. Zu hoffen bleibt, dass sich die Prognosen bestätigen und die KVA bei der Eröffnung Ende 2004 genügend Abfall zu verbrennen hat.

Die KVA-Gegner haben ihre letzte Schlacht verloren, sie können sich aber rühmen, einen SBA-Millionen-Flop verhindert zu haben. Die Vorzeige-SBA in Fürth muss wegen Untauglichkeit wieder abgebrochen werden. Wichtig ist nun, dass die kritischen Geister die Flinte nicht ins Korn werfen, sondern bei der Ausführungsplanung mithelfen. Jetzt gilt es, dafür zu schauen, dass die Versprechungen der Projektverantwortlichen in Sachen Luftbelastung, Verkehr und Sicherheit auch eingehalten werden. Denn mit der KVA entsteht in Thun ein Jahrhundert-Bauwerk.

KVA Thun Gegner auf Barrikaden?
Die rechtlichen Mittel im Kampf gegen die KVA Thun sind erschöpft. Gehen die Gegner auf die Barrikaden?

Letzte Woche wies das Bundesgericht die rund 300 Beschwerden gegen die geplante Kehrichtverbrennungsanlage Thun (KVA) ab (wir berichteten). "Wir werden nun darüber reden, ob wir nochmals eine Demonstration organisieren", meinte gestern Fredi Flügel, Vorstandsmitglied des Vereins Pro Regio Thun. Zur Erinnerung: Im Herbst 1997 mobilisierte der Verein rund 600 Demonstranten gegen den damaligen Baustart für die inzwischen beerdigte Schwelbrennanlage (SBA). Wenig später zog die AVAG das untaugliche Projekt selbst zurück und setzte auf eine herkömmliche KVA. Statt 150 000 werden nun nur noch 100 000 Tonnen Kehricht pro Jahr verbrannt.

Sowohl Gegner als auch Befürworter zeigten sich über den Zeitpunkt des Bundesgerichtsentscheids überrascht. Man hatte den Entscheid erst gegen Sommer erwartet. Noch ausstehend ist hingegen die schriftliche Begründung. Für die Beschwerdeführer bleiben nun Kosten von rund 30 000 Franken übrig. Flügel rechnet jedoch mit weiteren Spenden. "Der Rückhalt in der Bevölkerung ist weiterhin sehr gross", so Flügel

Finanzen Bundesgelder Formsache?
Die Finanzierung der 200 Mio. Franken teuren KVA Thun (inkl. Finanzierungskosten) ist laut AVAG-Direktor René Clausen gesichert. Zwar sei der Vertrag mit dem Bankenkonsortium unter der Führung der UBS noch nicht unterzeichnet, für den Baustart liege jedoch eine Zwischenfinanzierung vor. Während der Kanton Bern seine Subventionen von rund 38 Mio. Franken bereits bewilligt hat, liegt vom Bund erst ein Grundsatzentscheid vor. Die Auszahlung der rund 38 Mio. Franken ist an diverse Bedingungen geknüpft. "Mit dem Bundesgerichtsurteil sind die weitgehend erfüllt, der Rest dürfte Formsache sein", meinte Clausen.

Roland Drenkelforth
r.drenkelforth@bom.ch


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02.04.2000